Große Oper – viel Theater? Diskussionsbeitrag zur Kölner Debatte

Susanne Laugwitz-Aulbach mitten in der Ausstellung „Große Oper- viel Theater?“ im Museum für Angewandte Kunst (Foto: Kirsten Reinhardt)

// von Susanne Laugwitz-Aulbach

„Was für ein Theater!“. Wer kennt nicht den Ausspruch, wo bekanntlich althergebrachtes rasend schnell von der Bildfläche verschwindet. Diese vier Worte entfahren uns oft. In Köln wohl bisweilen täglich. Eine Angelegenheit halten wir für übertrieben, wir sehen erste Ansätze des Ärgers, sind fassungslos und manchmal sagen wir es unwillkürlich, wenn uns etwas übersteigt und wir es gerne richten würden, es aber einfach nicht gelingt. Dieser Zustand ist mir als Kulturdezernentin hinlänglich bekannt, Herausforderungen sind die Würze des Lebens und natürlich kann ich lesen, denn der Titel dieser Ausstellung heißt „Große Oper – viel Theater?“ und ist somit eine Nuance anders gelagert.

Mir kommen sofort eigene, vielleicht biografisch gefärbte Bilder in den Sinn: Das Staunen beim ersten Kinderopernbesuch, die Überraschung von Stimmen und Kompositionen großer Musiktheaterabende, die Faszination erhabener Grand Opera Bauten oder modernster Kulturtempel wie die Elbphilharmonie. Gleichzeitig denke ich an scheinbar unüberwindliche Finanzprobleme, stadtgesellschaftspolitische Diskussionen über die Frage, was für ein Theater, brauchen, wünschen, fordern wir eigentlich und wo und in welchem Rahmen? Neubau, Sanierung, Erweiterung etc. Ein unentwegtes Kopfkino wird sofort in Gang gesetzt.

In Köln funktioniert der Titel auch ohne Foto des Riphahn-Baus: Jeder wird sofort an die Bühnenbaustelle am Offenbachplatz und ihre bewegte Sanierungsgeschichte denken. Das fabelhafte Museum für Angewandte Kunst Köln, ebenfalls ein herausragender Kulturbau, ist davon nur 300 Meter weit entfernt. Auch wenn die Bühnensanierung in Köln jüngst in einer – wohlgemerkt nicht repräsentativen – Umfrage zu den größten Problemen unserer Stadt gehört, ist sie zweifellos eines der Themen, zu dem fast jede Kölnerin und jeder Kölner mindestens eine Meinung und dazu meist auch eine stark ausgeprägte emotionale Haltung hat. Die Bühnenbaustelle hat sich bedauerlicherweise zu einem Kristallisationspunkt für das beliebte „Köln-Bashing“ entwickelt. Die Stimmung in dieser Stadt pendelt bekanntlich zwischen extremen Höhen und extremen Tiefen, jeweils mit großer Leidenschaft. Das ist nachvollziehbar und spricht für eine Lebendigkeit, die niemand in dieser Metropole missen möchte.

Ein Blick über die Stadtgrenzen hinaus zeigt jedoch, dass der Bau von Theatern und Konzerthäusern in vergleichbaren Städten ebenfalls eine große, bisweilen fast übermächtige Herausforderung darstellt. Es erleichtert das Verständnis der Situation, wenn wir unseren Horizont über die Stadtgrenzen hinaus erweitern und uns vergleichbare Konstellationen von Bühnenbauten in anderen Städten vor Augen führen.

„Große Oper- viel Theater?“ ermöglicht diese neue Blickrichtung auf kleinstem Raum in kürzester Zeit, obwohl die MAKK-Ausstellung thematisch eine große Spannweite abdeckt: vom Neubau eines Konzertgebäudes in Norddeutschland, dem Neubau des Osloer Opernhauses bis zur Sanierung der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Diese Kulturbauten sind faszinierend vielfältig in ihrer Architektur gestaltet. Jeder dieser Konzertsäle, jedes Opernhaus, jedes Theater ist auf seine Weise ein absolutes Unikat. Ein Juwel. Man spürt, wie wichtig diese Bauten für die Identität ihrer Städte sind und welche Achtung sie dadurch verdienen. Bei der Wertschätzung des Riphahn-Baus sehe ich hier in Köln allerdings noch ziemlich Luft nach oben…

Auch für Menschen, die sich weniger für die Architektur, sondern mehr für die Zahlen interessieren, bietet die Ausstellung auf didaktisch überaus gelungene Weise Orientierung: Die Gegenüberstellung von Größen, Kosten und Bauzeiten erweitert das Verständnis überaus schnell und nachhaltig. Dazu schildern Bühnenbau-Verantwortliche in einem hochkarätigen sechsteiligen Rahmenprogramm über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse. Sicher ist manch hübsche Anekdote dabei. Somit Beurteilungen aus erster Hand, wie es auf den Baustellen in Hamburg, Berlin oder Oslo zugegangen ist und ob es Parallelen in Köln gibt. Ich freue mich auf spannende Abende mit lebhaften Diskussionen. Wir erwarten mit Spannung diesen Sommer das Ergebnis der Entwurfsplanung  mit neuem Zeit- und Kostenplan für die Bühnen am Offenbachplatz, und ich empfehle jedem Interessierten vorher die intensive Beschäftigung mit diesem Teil der Ausstellung.

Ich bin deshalb dem Museum für Angewandte Kunst Köln, den Bühnen Köln und dem Deutschen Architekturmuseum sehr dankbar, dass es so kurzfristig gelungen ist, „Große Oper- viel Theater?“ nach Köln zu holen. Und es freut mich besonders, dass zwei wichtige Kölner Kulturinstitutionen gemeinsam mit dieser Ausstellung und dem Rahmenprogramm einen zentralen Diskussionsbeitrag zu der hiesigen Debatte um die Bühnensanierung am Offenbachplatz leisten. Wegen dieser großen Bedeutung war es meinem Ressort ein ebenso großes Anliegen, Finanzmittel bereit zu stellen, das sowohl die Ausstellung als auch das Rahmenprogramm für alle Interessierten kostenlos besuchbar ist. Ich wünsche allen Beteiligten und der Ausstellung viel Erfolg. Und ich wünsche mir, dass wir in den nächsten Jahren einmal beim Betreten des Offenbachplatzes staunend ausrufen können: „Das ist große Oper – was für ein Theater, für Köln!“ www.makkblog.de

Die Ausstellung „GROSSE OPER – VIEL THEATER? – Bühnenbauten im europäischen Vergleich“ ist bis 30. Juni 2019 im MAKK zu bewundern. Eintritt frei!

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