Lieblingsstück: B9 von Marcel Breuer

Marcel Breuer B9 Maria Bausch

„Ich liebe das reduzierte Design von Marcel Breuer. Die Stahlrohrmöbel sind für mich das Sinnbild der Reduktion und dabei doch so ästhetisch,“ schwärmt die in Köln lebende Maria Bausch. „Passend sind auch die unprätentiösen Namen wie Stahlrohrstuhl B5, Stahlclubsessel B3 oder Beistelltisch B9. Der B9 wurde gleichzeitig als Hocker konzipiert und die Rolle als Beistelltisch in verschiedenen Höhen ergab sich als Konsequenz der hohen Funktionalität. Auf einen B9, der heute von Thonet bzw. unter dem Namen Laccio mit sichtbaren Schrauben von Knoll International hergestellt wird, spare ich und werfe mein Kleingeld in eine Spardose“, schmunzelt Maria Bausch während ihres Besuchs der MAKK-Sonderausstellung SYSTEM DESIGN. Als Liebhaber des Designs der Bauhausschule zog es sie und ihren Mann kürzlich in das Bauhausmuseum in Dessau.

Die Stahlrohrmöbel Was ist an den Stahlrohrmöbeln von Marcel Breuer System-Design? B9 lässt sich als Reihe ineinander stellen oder einzeln nutzen – das ist der erste Schritt in Richtung Systemgedanke. Ein weiterer Entwicklungsschritt ist das Programm. Es entsteht, wenn sich die einzelnen Gegenstände formal-ästhetisch oder in ihren Abmessungen aufeinander beziehen. So erzeugen die Thonet-Stahlrohrmöbel Marcel Breuers allein durch ihre Formensprache einen systematischen Zusammenhang. Marcel Breuer gehört als Designer und Architekt zu den bedeutendsten Gestaltern des 20. Jahrhunderts.

Typisch für die Auffassung von Systemdesign seit den 1920er Jahren ist ihre programmatische Dimension. In der Systematisierung versinnbildlichte sich ein Bekenntnis zur zeitgemäßen Produktionsform, der modernen Fabrikindustrie, mit all ihren Vorteilen der Massenproduktion, der Verbilligung und der leichten Verfügbarkeit von Produkten. Gleichzeitig war Systemdesign mit einer sozialen Orientierung verbunden. In der Weimarer Republik, der ersten Demokratie Deutschlands, sollten gute Architektur und gutes Design nicht mehr länger ein Privileg weniger sein, sondern auch untere soziale Schichten sollten an einem zufrieden stellenden Lebensstandard teilhaben können.
Architekten und Designer bewerteten in den 1920er Jahren die neue Fabrikindustrie tendenziell als Segen bringend. Man machte sich daran, konkrete Entwurfsmodelle für eine serielle Massenproduktion zu entwickeln. Voraussetzung war allerdings, dass man sich auf alle Elemente des Entwurfsprozesses selbst kon­zentrierte, wie Form, Material, Konstruktion, leichte Demontierbarkeit, Eignung für günstigen Transport, ­Ergänzbarkeit nach dem Prinzip eines Baukastens etc. Mit ­all diesen elementaren Entwurfsbausteinen waren moderne Gestalter in dieser Zeit beschäftigt – ein Grund, weshalb sie ihre Arbeit als grundsätzlich neu empfanden. Systemdesign avancierte in den 1920er Jahren sogar zum Modell für ein modernes Leben. Im Idealfall sollten­ die alltägliche Lebensführung, die Arbeitsprozesse, urbanistische Gefüge und nicht zuletzt das Wohnen in der Großstadt von der Idee rationalistischer Prinzipien der Industrieproduktion geprägt sein. Durchdringung wurde ein Schlüsselbegriff dieser Zeit. Das Entwerfen von Systemdesign war nicht nur praktisch motiviert, sondern es hatte in hohem Maße auch einen symbolischen Wert. (Auszug aus: Gerda Breuer: Systemdesign für Klein- und Kleinstwohnungen in: SYSTEM DESIGN. Über 100 Jahre Chaos im Alltag / Hrsg.: Petra Hesse, René Spitz, Köln 2015, 12-31.)

Tubular Steel Furniture Typical for the concept behind system design since the 1920s is its programmatic dimension. Systematization became a symbol for the commitment to the latest forms of production, i.e. modern factory-based industry with all the advantages of mass production, the reduction of costs and the easy availability of products. At the same time, system design was thus also closely associated with a ­specific social orientation. In the Weimar Republic, the first democracy in Germany, good architecture and design were no longer to be a privilege of the few, but rather the lower classes should also benefit from a satisfactory standard of living. In the 1920s, architects and designers tended to consider the new factory-based industry a blessing.
Factory-produced products were no longer ­fundamentally rejected because of their ostensible poor quality. Instead, one began to develop specific design models precisely for serial mass production. This demanded, however, that all elements of the design process – including form, material, construction, easy disassembly, suitability for inexpensive transportation and the ability to add further elements according to a building-block principle – had to be taken into consideration from the start. Modern designers were thus forced to deal with all of these elementary design modules – one reason why they regarded their work as something ­completely new and innovative. In the 1920s, system design advanced to become a model for a modern way of life. Ideally, the concept of rationalist principles of industrial production should shape everyday life, work processes, urban structures and, last but not least, life in the big city itself. Permeation would become a key term of this era. The creation of system design was thus not only motivated by practicality – i.e. machine-­adapted design that would guarantee optimized mechanical and serial production – but was also highly symbolic. (Excerpt from: Gerda Breuer: System Design for Small and Tiny Flats in: SYSTEM DESIGN. Over 100 Years of Chaos in Everyday Life ed. by Petra Hesse, René Spitz, Cologne 2015, 12-31.)

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