// von Carin Söhler
Als Kostümbildnerin fasziniert mich die Veränderung von Andy Warhols Selbstinszenierung, gut zu verfolgen in der Ausstellung „Andy Warhol – Pop goes Art“ im MAKK (bis 24. März 2019). Auf einer Fotografie aus den frühen 50er Jahren ist Andy Warhol als jungen Illustrator zu sehen, mit der Mappe unter dem Arm durch New York’s Straßen ziehend, um Aufträge zu ergattern. Sein Kleidungsstil erscheint noch unbekümmert mit schlaksigem Anzug und Fliege. So kleidete man sich wohl damals, um als ernsthafter Illustrator arbeiten zu können. Denn als solcher bewarb er sich erfolgreich bei Mode- und Lifestyle-Magazinen, bei Literatur- und Theaterzeitschriften und auch bei Schallplatten-Labels.
1949 entstand sein wahrscheinlich erstes Cover für Columbia Records. Es ist eine kleine Illustration zu Sergei Prokofjews Kantate „Alexander Nevsky“. Es war naheliegend dafür Sergej Eisensteins berühmte Szene „Schlacht auf dem Eis“ aus seinem ersten Tonfilm „Alexander Nevsky“ zu illustrieren. Wie genau er Kleidung, Waffen und Gestus der Krieger durch seine „blotted line“ Technik dargestellt hat! Für das übrige Layout war nicht Warhol, sondern der Art Director von Columbia Records zuständig.
Bereits Anfang der 60er Jahre verstand sich Andy Warhol nicht mehr als Grafiker, sondern als freier Künstler. Das veränderte radikal seine Illustrationen für Plattencover. Alle 75 Exemplare des „Giant Size $ 1.57“ Covers von 1963 sind zum Pop Kunstwerk avanciert. Er hat sie eigenhändig im Siebdruckverfahren bedruckt, nummeriert und handsigniert. Das Motiv ist jetzt keine Illustration des Inhalts mehr und lässt damit keine Rückschlüsse auf das zu, was den Käufer beim Zuhören erwartet. Revolutionär war seine Idee der verlockenden Verpackungsgestaltung der Cover, um den Verkauf von Schallplatten zu steigern. Das heran gezoomte Preisschild aus dem Supermarkt zeigt provozierend das genaue Gegenteil. Die Schallplatten wurden vom Künstler als Provokation durch ihre Gestaltung zum Billigprodukt erklärt.
Und wie kleidet sich Andy Warhol als Künstler? Möchte er als solcher sofort erkannt werden? Zur Ausstellungseröffnung von „The Popular Image“ 1963 in der Washington Gallery of Modern Art, für die er genau die „Giant Size $1,57“ Cover produziert hatte, trägt er einen Smoking und damit das Gleiche, wie alle anderen geladenen männlichen Gäste auch. Die Damen erschienen übrigens in wunderbaren blumigen Cocktailkleidern. Aber: auf einer schwarz/weiß Fotografie der Ausstellungseröffnung ist zu erkennen, dass er, abgesehen von einer coolen Sonnenbrille, nun ein Haarteil trägt. Um sein schütteres Haar zu verdecken, entschied er sich bereits ab Mitte der 50er Jahre für ein Toupet. Er soll mit verschiedenen Haarfarben experimentiert haben. Auch seine Nase veränderte er in dieser Zeit durch eine Schönheitsoperation. War er mit seinem Aussehen so unzufrieden? Übermalungen eines seiner Passfotos scheinen das zu bestätigen.
Haarteile kamen in den 60er Jahren in Mode. Damen toupierten ihre Haare und gaben mit aufsteckbaren Haarteilen ihren Frisuren ein neues märchenhaftes Volumen. Für Männer aber waren Haarteile keine Modeaccessoires, sondern damit sollte, möglichst unbemerkt, ein Mangel behoben werden. Vergleicht man aber das Aussehen Robert Rauschenbergs auf der Fotographie tanzend im Vordergrund, mit dem von Andy Warhol im Hintergrund, muss man feststellen, dass der eine ganz natürlich aussieht und der andere irgendwie künstlich. Das Haarteil verleiht Andy Warhol ein schräges Element, bei gleichzeitig klassischem Kleidungsstil. Genau dieses leichte Störgefühl wird er nutzen, um ein Bild von sich als Künstler zu inszenieren. Die Perücke wird zu seinem Kennzeichen als Künstler. Ohne sie gibt es keine Bilder mehr von ihm. In seinem Nachlass fanden sich hunderte handgemachter Exemplare, sorgsam verstaut in ihren originalen Kartons. Es ist genau, wie mit seinen Portraits. Betrachten wir zuletzt das Cover von Diana Ross von 1988. Diese unbedingte Konzentration auf das heran-gezoomte Porträt und das auffällige Desinteresse an der Darstellung von Kleidung erklärt auch seine Selbstinszenierung als Künstler, die sich auf Perücken fokussiert. Eine Inszenierung, die Andy Warhol als Künstler selbst zur Ware werden lässt, aber auch zu einem Künstler, den weltweit jeder vom Aussehen her erkennt.
Mehr Informationen über die MAKK-Ausstellung (bis 24. März 2019) „Andy Warhol – Pop goes Art“ finden Sie hier…
** Fotos: MAKK © 2018 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by Artists Rights Society (ARS), New York (Foto: RBA Köln, Marion Mennicken)