Um Teile unserer umfangreichen Modesammlung zu präsentieren, braucht es Figurinen. Allerdings sind handelsübliche Figurinen aus verschiedenen Gründen nicht einsetzbar: Sie dünsten möglicherweise Schadstoffe aus und ältere Kleidungsstücke entsprechen nicht den heutigen Normgrößen. Also stellen wir diese Figurinen – zum Teil individuell für die entsprechenden Kleidungsstücke – selber her. Dafür haben wir schon vor einiger Zeit ein Konzept entwickelt, die Büsten aus konservatorisch vertretbarem Material und nachhaltig anzufertigen.
Benötigt werden folgende Dinge :
– die ungefähren Maße des Kleidungsstückes, das präsentiert werden soll (betrifft Brustumfang, Brustpunkthöhe, Taillen- und Hüftumfang, Schulterbreite und Oberkörperlänge);
– einen angerührten Kleister aus Weizenstärke und entmineralisiertem Wasser;
– einen Büstenkern, d.h. eine Büsten-Grundform, die gegebenenfalls der erforderlichen Größe durch Schnitzen oder Aufpolstern angepasst werden muss;
– viele, viele Papierstreifen eines säurefreien, nicht zu feinen oder starken Papiers in zwei Breiten. Wir haben ein Vorsatzpapier verwendet.
Und viel Geduld!
Nachdem also die Kleidermaße genommen und der Büstenkern auf die entsprechende Größe präpariert wurde, kann nun mit dem eigentlichen Herstellungsprozess begonnen werden.
Als erstes wird die Büste mit einer Folie, möglichst ohne Faltenbildung, denn jede Unebenheit ist später sichtbar, komplett eingestretcht. Dies geschieht, um die Feuchtigkeit vom Kern fernzuhalten und um den Ablöseprozess des fertigen Produkts zu ermöglichen. Feuchtes Papier saugt sich beim Trocknen am Kern fest und verringert zudem seine Dimension, ist also schwer zu lösen.
Dann können die gut durchfeuchteten und mit Kleister eingestrichenen Papierstreifen gleichmäßig schuppenartig auf dem Figurinenkern aufgeklebt werden. Begonnen wird mit breiteren Streifen, die zunächst waagerecht verteilt werden. Der obere Abschluss des Halses und der untere des Körpers bleiben dabei offen.
Im nächsten Schritt werden ebenfalls die breiten Streifen senkrecht über den Körper verteilt, Ober- und Unterseite bleiben wieder frei. Jetzt muss das ganze Gefüge einmal komplett durchtrocknen.
Ist das geschehen, kann eine erste OP durchgeführt werden: die geklebte Büste wird entkernt. Hierzu wird an der linken und rechten Körperseite vom Hals bis zum Becken jeweils ein gerader Schnitt gesetzt. So können Vorder- und Rückseite vom Kern getrennt werden, müssen im nächsten Schritt allerdings wieder zusammengefügt werden. Dies geschieht mit mehreren festen transparenten Klebefilmstreifen. Diese Streifen können aufgrund ihrer Materialzusammensetzung jedoch nicht verbleiben. Sie dünsten Säuren aus, Schadstoffe wandern in das Papier, sie vergilben und verfärben das Papier.
Deshalb werden nun viele kleine breite Papierstreifenabschnitte schuppenartig übereinander gefügt auf der Büsteninnenseite über die Schnitte geklebt. Auch hier abwechselnd eine Lage senkrecht, die nächste waagerecht und dann wieder senkrecht. Gut durchtrocknen lassen und dabei aber die Form bewahren. Ohne den inneren Kern, arbeiten die Papierlagen während des Trockenvorgangs auch gegeneinander und verziehen sich leicht.
Jetzt kann die Büste am Halsansatz geschlossen werden. Ein passender Kartonzuschnitt deckt das Halsloch ab. Und darüber werden wieder Streifen in vier Lagen nacheinander kreuz und quer übereinander geklebt. Hier kommt es darauf an, am oberen Rand keine Wulst entstehen zu lassen und die Streifenenden entsprechend unterschiedlich zu kürzen.
Nun beginnt ein recht langwieriger Prozess, bei dem die schmaleren Papierstreifen ebenfalls schuppenartig, jedoch diagonal über den oberen Teil der Büste verklebt werden. Es beginnt der kosmetische Prozess – das „Schön-Kleben“. Die schmalen Streifen passen sich jeder Körperform optimal an. Wenn das nicht der Fall ist, wird gerissen und entsprechend kaschiert. Über der Hüfte werden waagerecht wieder breite Streifen verteilt und gut durchgetrocknet. Eine zweite diagonal geklebte Lage Streifen oben und senkrechte Streifen unten geben der Büste nun die endgültige „schöne“ Hülle. Allerdings gibt es manchmal Gründe, weshalb noch eine weitere Lage Papierstreifen verklebt werden muss. Dies können Risse sein, die bei der Abnahme von der Kernbüste entstanden sind, ein höheres Materialgewicht der zu präsentierenden Kleidungsstücke oder Deformierungen, die während der Trocknungsprozesse durch Materialspannungen entstanden sind.
Hat die Büste ihre endgültige Hülle erhalten, muss sie noch von innen her gestärkt werden. Hierfür werden zwei Polyethylen-Schaumstoffscheiben angepasst. Eine wird in der Taille und die andere am unteren Büstenrand mit Heißkleber fixiert.
Sitzt die Büste auf ihrem Ständer wird sie für die Montage der Kleidungsstücke entsprechend präpariert. Je nach Objekt werden z.B. aus Polyestervlies, Polyester-Volumenvlies oder Polyesterschaum kurze oder lange Arme angefertigt. Ohne diese würden die Ärmel der Kleidungsstücke nur traurig herunterhängen.
Ebenso wird eine Art Unterrock aus Polyestervlies an der unteren Büstenkante fixiert. Würde dies nicht geschehen, würden manche Röcke, Kleider oder Mäntel unterhalb der Büste schmal in sich zusammenfallen und so die fehlenden Beine ungünstig betonen. Davon abgesehen sind dies nicht nur ästhetische Argumente, sondern auch konservatorische Gründe sprechen für derartige Hilfskonstruktionen. Das textile Material muss gestützt, Gewicht abgefangen oder Verwerfungen verhindert werden.
Außerdem erhalten die Büsten, je nach Kleidungsform, eine Art Unterhemd aus feinem Baumwoll- oder Seidentrikot. Da die Papierstreifen eine relativ raue Oberfläche hinterlassen, würden feine oder leichte Materialien sehr leicht darauf verletzt werden.
Da unser Konzept vorsieht, dass jede unserer Büsten variabel einsetzbar sein soll, d.h. nicht nur für ein Kleidungsstück vorgesehen ist, sondern nachhaltig genutzt werden kann, müssen die Büsten hin und wieder mit verschiedenen „Prothesen“ ausgestattet werden. Eine besondere Herausforderung war z.B. das Outfit von Thierry Mugler.
Text und Fotos der Figurinen: Katharina Sossou, Textilrestauratorin, MAKK
Foto unten rechts: © Thierry Mugler, Prêt-à-porter-Kollektion „L’Été du Sahara“, Frühjahr/Sommer 1986, MAKK, Inv. Nr. P1006 a-b, Foto: © Rheinisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken