MAKK+ | Interview mit Marcello Bramigk Bonon über eine fiktive Museumserweiterung

Marcello Bramigk Bonon beschäftigte sich in seiner Masterarbeit mit einer fiktiven Erweiterung des MAKK (Foto: Kirsten Reinhardt).

Interview mit Marcello Bramigk Bonon

Ihre Masterarbeit heißt: MAKK+ | Ein räumlicher Dialog zwischen einer Museumserweiterung und Rudolf Schwarz’s architektonischem Erbe. Welches Ziel hatten Sie?

Marcello Bramigk Bonon: Das Ziel dieser Auseinandersetzung war es, einen sowohl für die Vergangenheit als auch für die Gegenwart des Museums würdigenden Ausbau zu konzipieren. Der idealisierte Entwurf eines Neubaus soll sich mit der Essenz des Bestandes beschäftigen und in einer neuen Interpretation dessen architektonischen Qualitäten zelebrieren.

In Ihrer Arbeit beschäftigen Sie sich mit dem Museum für Angewandte Kunst Köln. Wie kam es dazu?

Der Impulsgeber war die erfolgreiche Teilnahme an einem 2017 ausgelobten Ideenwettbewerb für die Umgestaltung des Stadtraumes im unmittelbaren Umfeld des Museums für Angewandte Kunst. Bei einer Untersuchung des Gegenstandes realisierte ich die Bedeutung dieses Bauwerkes und die leidende Vergessenheit, in welche es geriet. Zusammen mit meinem Kollegen Binh Minh Dao erarbeitete ich ein städtebauliches Konzept, welches als Grundlage für meine Masterarbeit galt. Dabei entwickelten wir eine Kulturachse, welche die Lage des Museums in seiner bedeutenden Landschaft integriert und aufwertet, und einen Neubau, der das MAKK räumlich und städtebaulich ergänzt. Die Komplexität dieser Aufgabe führte dann zu der Formulierung eines Themas für meine Masterthesis.

Haben Sie mit der Museumsleitung zusammengearbeitet?

Die Museumsdirektorin, Frau Dr. Hesse, war bei der Entscheidung des Wettbewerbs als Jurymitglied tätig und hat auch später bei der Ausformulierung der Rahmenbedingungen mitgewirkt. Bei einem Gespräch stellte sich die Notwendigkeit an Ausstellungsräumen, insbesondere für Sonderausstellungen, und der Wunsch nach mehr Präsenz im Stadtbild. Gemeinsam mit Frau Dr. Hesse wurden anschließend die übergeordneten, musealen Anforderungen und das Raumprogramm definiert.

Welche Rolle spielt das bestehende Museumsgebäude bei Ihrer Masterarbeit?

Das denkmalgeschützte Bauwerk, entworfen von Rudolf Schwarz, ist ein faszinierendes Meisterwerk des Architekten und ein wichtiger Beitrag zur Museumsentwicklung der Nachkriegszeit Deutschlands. Es repräsentiert einen Fortschritt in dem Umgang mit historischen Ruinen (Minoritenkloster und dessen Arkadenreste) und ein hervorragendes Leitbild in der Entwicklung der Architektur jenseits der Moderne (Pehnt 1997). Bemerkenswert ist dann, trotz prominenter Lage, die mangelnde Präsenz dieses Gebäudes in der Kölner Landschaft und im allgemeinen Gedächtnis. Das Gebäude verkörpert eine dreidimensionale Synthese zwischen örtlicher Erbschaft und sinnlicher Gestaltung und bildet somit die vollzogene Essenz eines Dialogs mit dem Bestand. Diese Haltung versuche ich mit dieser ideellen Erweiterung fortzusetzen. Diese soll in Beziehung zum Bestand entwickelt werden, sodass eine Symbiose beider Bauten im Einklang mit ihrer Umgebung entsteht.

Modell: Marcello B. Bonon

Welche Thesen waren dabei für Sie ausschlaggebend?

Der Entwurf basiert auf einer theoretischen Trias, bestehend aus Rudolf Schwarz’ Bauphilosophie, Luigi Snozzis Aphorismen und Rémi Zauggs Museumsvorstellungen. Die Formulierungen dieser schaffenden Theoretiker repräsentieren meines Erachtens nach die Maximen für eine museumsgerechte Erweiterung angesichts der vorliegenden Umstände. Snozzis Aphorismen gelten als Leitgedanke für eine städtebauliche und denkmalpflegerische Strategie. Zauggs Prinzipien für das Entwerfen eines idealen „Ort des Werkes” bilden die Grundlage für die Raumkomposition. Letztendlich werden diese Leitsätze und die Schwarz’sche Weltanschauung nebeneinandergestellt. Anhand dieser Herangehensweise soll einen Dialog zwischen einer möglichen Museumserweiterung und dem denkmalgeschützten Bestandsgebäude des Architekten Rudolf Schwarz entstehen.

Welche städtebauliche Maßnahmen beabsichtigen Sie? Basieren sie auf Grundlagen des Masterplans von Albert Speer?

Ja, das städtebauliche Konzept für die Museumserweiterung basiert auf den Grundlagen des Masterplans von Albert Speer. Für die Kölner Innenstadt wird eine neue „Kulturdiagonale” entwickelt, welche die Passanten durch das Museum für Angewandte Kunst bis hin zur Oper führen sollte. Die neue zu schaffende Kulturachse soll diese stadtprägende, jedoch verborgene Ikonen Kölns verbinden. Mit dem Namen „Via Novum” bezieht sich dieser Weg auf den architektonischen Charakter seiner gebauten Umgebung. Dieser Kulturpfad wird durch ein filigranes Lichtband markiert, welches die Passanten und Touristen auf die wichtigsten Kulturstätten aufmerksam macht.

Der konzipierte Neubau würde sich in eine wichtige, jedoch oft missachtete Stelle der kulturellen Kölner Landschaft einfügen und sowohl auf eine Mikro- als auch auf eine Makroebene reagieren. Der aus dem Bestehenden entnommene Körper wird in den Stadtraum als gliederndes Element platziert. Er teilt und zoniert den jetzigen Kolpingplatz in zwei gefasste und überschaubare Plätze: Museumsplatz und Kirchenvorplatz. Das Museumsplatz erhält hierdurch klare Raumkanten und der Eingangsbereich wird anhand stadträumlicher Kompositionen akzentuiert. Die Entfernung zum bestehenden Museum weist auf das Achsenmaß hin und die Abstände zu den umliegenden Bauten nehmen auf die benachbarten Gassen der Altstadt Bezug. Seine Drehung verdeutlicht nicht nur die Entstehung eines neuen Abschnittes, sondern bestimmt auch die Lichtwirkung des Innenraums und gleicht die sich überlagernden Fassaden beider Gebäude an die jeweiligen Plätze an. Somit wird die Trauflinie des Bestands am Museumsplatz und die Giebelfassade am Kirchenvorplatz im Neubau fortgeführt. Der Dialog zwischen beiden Bauten steht stets im Vordergrund und schafft es mit der Erweiterung das heutige Museum im Sinne seiner ursprünglichen Konzeption zu erweitern und zu ergänzen. Somit bekommt die Kubatur eine Bikonkavität, welche sowohl den Innen- als auch den umgebenden Außenraum formt.

Welche Vorschläge hätten Sie für einen möglichen Um- bzw. Ausbau?

Die räumliche Struktur des bestehenden Bauwerks stellt bis heute ein großartiges Beispiel musealer Architektur dar. Aus diesem Grund nahm ich in meiner Arbeit wenige, jedoch gezielte Eingriffe in der existierenden Bausubstanz vor. Mit meiner Masterarbeit beabsichtige ich vielmehr Prämissen für einen möglichen Neubau zu schaffen, die den Bestand denkmalgerecht ergänzen und gleichzeitig die Besucher auf dessen Besonderheiten aufmerksam machen. Ein wesentlicher Aspekt des Erweiterungskonzeptes ist die Erhaltung des Altbaus als Visitenkarte und Hauptgebäude. Aufgrund dessen wird der Haupteingang an der ursprünglichen Stelle gepflegt und gleichzeitig betont. Die Erschließung an den Neubau erfolgt innerhalb des Komplexes des Altbaus. Dies bedeutet einen Eingriff in die bestehende Raumstruktur, welcher räumlich und konzeptionell im Sinne des Schwarz’schen „Raumgefüge” bearbeitet wird.

Weitere anvisierte Verbesserungen der jetzigen Raumbelegung sind eine bessere Integrierung der Sammlung moderner Designobjekte in den Museumsparkours und eine gerechte Unterbringung der Gastronomie im Museumskomplex. Ebenfalls sind in diesen Anpassungen wenige, aber gezielte Änderungen geplant, die die ursprüngliche Konzeption von Schwarz entweder wiederherstellen oder sogar verstärken. Das Museum für Angewandte Kunst beherbergt eine dynamische Sammlung und belegt einen relevanten Ort in der Stadt- und Architekturgeschichte. Die Erweiterung beabsichtigt die Betonung dieser Qualitäten und gleichzeitig die Weiterentwicklung des eigenen Museums. Die Form der Museumserweiterung ist auf den Innenhof des Bestandes zurückzuführen. Dieser offene Raum verbindet alle Bauten dieses Grundstücks. Der Innenhof war ein wesentlicher Teil und formgebendes Element für das Kloster und prägt bis heute den Stadtraum. Wie bei einer Gussform lässt sich der Neubau aus dem Hof ableiten und knüpft dadurch an die Geschichte des Ortes an. Das Neue beruht damit auf dem Ursprung des Alten.

 

Titel: MAKK+ | Ein räumlicher Dialog zwischen einer Museumserweiterung und Rudolf Schwarz’ architektonischem Erbe

Betreuer: Prof. Carola Wiese und Prof. Dr. Daniel Lohmann

Einrichtung: TH Köln

Name: Marcello Bramigk Bonon

Webseite: www.mbonon.com

Buch online: Masterarbeit_marcellobonen_makk_zum blättern

Kontakt: mb@mbonon.com

Ein Kommentar zu “MAKK+ | Interview mit Marcello Bramigk Bonon über eine fiktive Museumserweiterung

  1. Ich habe dieses Interview wirklich genossen!

    Eines der wichtigsten Museen in Deutschland das einen Gedankenaustausch zwischen den Generationen ermöglicht.

    Denken und Erneuern mit der Geschichte, in Harmonie und ständigem Dialog, wie in einem schönen Lied.

    Vielen Dank für das Interview und herzlichen Glückwunsch an Marcello

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