// ein Blogbeitrag von Andreas Kunz zur Akustik
Die Diskussion um Opern- und Konzerthäuser ist in den letzten Jahren intensiv geführt worden. Vorrangig geht es um Kosten und Architektur, erstaunlich wenig hingegen um die Akustik, dabei sollte diese bei Stätten der Musikaufführung ein zentrales Thema sein. Beispielhaft zeigte sich dies bei einem Pressetermin in der Elbphilharmonie Ende 2016, etwa zwei Monate vor deren Eröffnung: Nach einer Besichtigung des Gebäudes standen unter anderem Oberbürgermeister Olaf Scholz und Architekt Jacques Herzog im großen Saal rund 300 Medienvertretern Rede und Antwort, nicht aber der verantwortliche Akustiker Yasuhisa Toyota. Aber auch das erklärt kaum, warum in der Pressekonferenz Fragen zur Akustik (fast) komplett ausgeblendet wurden, und – trotz eines Flügels auf der Bühne! – keine Musik zu Demonstrationszwecken gespielt wurde.
Dabei hätte es genug Diskussionsbedarf gegeben, wie spätestens der Eklat während eines Jonas Kaufmann-Konzertes vor ein paar Monaten offenbarte, als Teile des Publikums wegen der schlechten Akustik abwanderten. Peinlich angesichts der Tatsache, dass dieser Musentempel knapp 900 Millionen Euro verschlungen hat.
Wobei das mit der „schlechten Akustik“ zu pauschal ist. Es hängt vom Platz ab – und der Musikrichtung. Verantwortlich für den Eklat war die so genannte Weinberg-Form des großen Saales, bei der das Publikum um das Orchester herumsitzt. Während diese Konzeption bei elektrisch verstärkter Musik unproblematisch ist, sieht es bei unverstärkten Klängen anders aus – besonders, wenn viele Musikinstrumente beteiligt sind, die eine ausgeprägte Richtcharakteristik haben (wie zum Beispiel eine Trompete oder ein aufgeklappter Flügel). Vor allem Sänger strahlen nach vorne wesentlich stärker ab als nach hinten, so dass der Schall den Raum nicht gleichmäßig ausfüllt. Wer also in Blickrichtung von Jonas Kaufmann saß, konnten dessen Gesang sehr viel mehr genießen als im Rücken des Startenors platzierte Besucher, die ihn dem Vernehmen nach kaum wahrgenommen hatten. Bei der traditionellen Bauform von Konzerthäusern („Schuhkarton-Form“), wo Sänger und Musiker frontal vor dem Publikum platziert sind, gibt es derartige Probleme nicht.
Ein anderer akustischer Unterschied zwischen „Weinbergen“ und „Schuhkartons“ hängt hingegen vom persönlichen Geschmacksempfinden ab: Während Weinberge wie die Berliner Philharmonie oder die Elbphilharmonie aufgrund ihres transparenten Klanges (auf den guten Plätzen) eher von „Analytikern“ bevorzugt werden, lieben „Schwelger“ eher Schuhkartons wie den Wiener Musikvereinsaal oder das Concertgebouw Amsterdam – dort vermitteln den Schall reflektierende Seitenwände das Gefühl des akustischen Eingehülltseins. Klänge verschmelzen dort mehr.
Dass man überhaupt „Weinberge“ baut, hat aber in erster Linie mit der als demokratischer empfundenen Sitzordnung zu tun, die Ausführende und Rezipienten stärker vereint. Nicht nur das Publikum, auch viele Musiker empfinden es als intensiver, vom Publikum umgeben zu sein, zumal durch diese Anordnung größere Teile des Publikums nah an der Bühne platziert sind als beim Schuhkarton. Unter dem Primat des Hörens jedoch erscheint der traditionelle Ansatz als der demokratischere, verspricht er doch keine (oder kaum) akustisch ungünstige Plätze. //
Andreas Kunz ist leitender Musikredakteur, Autor und Musikkritiker:
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